Übermächtige Gegner durch das Fifa-Momentum?
Sport1.de hatte in seinem Artikel erst kürzlich über Dynamic Difficulty Adjustment und Adaptive Difficulty berichtet. Dabei geht es um angebliche Mechanismen und „spielbeeinflussende Applikationen“, die dafür sorgen sollen, dass Spieler animiert werden, entsprechend mehr Echtgeld einzusetzen. Das Spielgeschehen, so der Vorwurf, soll entsprechend manipuliert werden, damit EA Sports auf diese Weise mehr Geld verdient und Spieler längerfristig bindet.
Komplexe Algorithmen
Klar ist: Ein umfangreiches und komplexes Game wie Fifa besteht aus zahlreichen Algorithmen, Funktionen und einer detaillierten Programmierung. Aber sollen wirklich mit Absicht Ergebnisse beeinflusst werden? Aus der rechtlichen Debatte halten wir uns natürlich heraus und beleuchten das Phänomen „Momentum“ lieber emotional, situativ und erklärend, anstatt technisch, geplant und programmiert.
Wann spricht man vom Fifa-Momentum?
Spricht man vom Fifa-Momentum, bedeutet das in der Regel, dass Ihr ein Spiel nicht mehr gewinnen könnt, ganz gleich, wie übermächtig Ihr auf dem Papier seid. Fifa „habe entschieden“, dass das Spiel nicht gewonnen werden kann. Ja, manche Spieler mögen schon an den einleitenden Sätzen der Kommentatoren erkennen können, wie ein Ergebnis aussehen könnte. Auch wenn man übermächtig und haushoch überlegen antritt: Spricht das bekannte Kommentatoren-Duo von einem knappen Spiel und einem Unentschieden, dann wird es meist auch kein Selbstläufer.
Fifa-Momentum in der Praxis
Ob es ein Momentum gibt, oder nicht – das wissen wir nicht. Das zuvor beschriebene Phänomen bezeichnen wir dennoch so, da sich der Begriff in der Fifa-Gemeinde weitestgehend durchgesetzt hat und bekannt ist. In der Praxis bedeutet das: Die Bälle verspringen, die Pässe laufen ins Leere, Schüsse gehen weit am Tor vorbei oder landen innerhalb weniger Sekunden mehrfach an Pfosten und Latte. Wer häufig in Multiplayer-Games, aber auch im Fifa-Karrieremodus unterwegs ist, wird solche Situationen sicherlich kennen. Aus dem Nichts sind die eigenen Spieler plötzlich unfähig, passgenaue Bälle zu spielen, oder das Tor zu treffen. Es scheint, als sei von Seiten des Spiels nun klargestellt: Ihr sollt nicht gewinnen und Ihr werdet nicht gewinnen. Und Ihr dürft auch nicht gewinnen, damit es spannend bleibt.
Die sichere 2:0-Führung zu Pause
Uns wurde berichtet, dass ein solches Phänomen oftmals auch halbzeitabhängig ist. Ihr spielt den Gegner zur Pause mit 2:0 an die Wand, seid feldüberlegen, habt Vorteile auf dem Platz und die besseren Chancen. Den Gegner habt Ihr scheinbar im Griff. Doch dann kommt die zweite Hälfte und es spielt sich so, als würde eine übermächtige, vollkommen andere Mannschaft auf dem Platz stehen. Der Gegner ist besser, antrittsschneller und lässt Euch keine Chance bei Angriff oder Verteidigung. Es folgen die Tore – und das Spiel geht letztlich 2:4 verloren. Möglicherweise hättet Ihr noch viel höher verlieren können.
Allein in einer solchen Situation keimt der Verdacht erneut auf, es handle sich dabei um das altbekannte Fifa-Momentum: Hat Fifa den Gegner zur Pause „bessergedreht“? Wird das Ergebnis also doch durch eine Programmierung beeinflusst, um zum Beispiel eine Saison rund um das Aufstiegsrennen spannend zu machen?
Weniger Kalkül, mehr Emotion
Dass willkürlich per „Momentum“ in das Spielgeschehen eingegriffen wird, ist zum jetzigen Stand nicht mehr als eine vage und nicht haltbare Vermutung. Vielmehr sollte man die Veränderung der Spielweise, die Situation, die Stärke der Teams, die Fitness und die Emotionen betrachten. Ein paar Beispiele:
- Taktik: Wer eine aggressive, offensive Taktik eingestellt hat, startet in der Regel furios ins Spiel – teilweise wird der Gegner überrannt. Nicht selten fallen bei solchen Strategien bereits in den ersten 10-20 Minuten die ersten Tore für Euer Team. Es versteht sich aber doch von selbst, dass eine solche Frequenz nicht auf die Dauer durchgehalten werden kann?
- Fitness: Wer nur halb-fitte Spieler ins Rennen schickt, wird in den ersten 20-30 Minuten keinen Unterschied zur normalen Leistung merken. Doch Eure Spieler bauen sehr schnell an Leistungsfähigkeit und Fitness ab, sobald sie die Hälfte des Energielevels verloren haben. Und wenn sie einmal im orangefarbigen oder schwarzen Bereich sind, werdet Ihr den Gegner kaum aufhalten können. Kein Momentum, sondern einfach eine Schwäche der Fitness.
- Emotionen: Ihr führt zur Pause souverän und seid Euch sicher, das Spiel zu gewinnen. Nun kommt der Gegner etwas stärker aus der Kabine, als er hineingegangen ist. Das ist sowohl im realen Fußball, als auch bei Fifa keine Seltenheit. Möglicherweise werdet Ihr davon überrascht und kassiert direkt den Anschlusstreffer. Und wenn eine Mannschaft überrascht ist, die andere aber an Fahrwasser gewinnt, kann man sich vorstellen, was im weiteren Spielverlauf passieren wird. Haltet also dagegen und lasst nicht nach!
- Einwechseln! Wer nicht wechselt, mindert seine Siegchancen. Tauscht der Gegner zur Pause, oder kurz danach, zwei oder drei Spieler aus, so steigen die Siegeschancen erheblich: Antritt und Geschwindigkeit übersteigen die Eurer zum Teil erschöpften Spieler deutlich.
Weitere erklärbare Lösungsansätze
Fifa gibt es bereits seit weit mehr als 20 Jahren. Möglicherweise handelt es sich bei solchen, für Spielerinnen und Spieler erstaunlichen und bemerkenswerten Leistungsänderungen, auch lediglich um Versuche, die Echtheit realer Spiele nachzubilden: Wie oft sehen wir, dass Mannschaften in den letzten Minuten eines Spiels entscheidende Gegentore kassieren? Und auch der Außenseiter kann in manchen Fällen beim designierten Meister gewinnen. Und dass eine Mannschaft, nach einer emotionalen Ansprache des Trainers gestärkt aus der Halbzeitpause hervorgeht, das ist auch keine Seltenheit. Nicht umsonst gelingen vielen echten Teams die Anschlusstreffer unmittelbar nach Wiederanpfiff.
Momentum gilt nicht als Universal-Erklärung
Möglicherweise macht man es sich auch zu einfach, sämtliche Spielsituationen, die gerade einmal nicht in die eigene Gedankenwelt passen, auf ein etwaiges Fifa-Momentum zu schieben. Und möglicherweise ist man als Spieler nach einem Gegentreffer auch weniger motiviert, kurzzeitig abgelenkt, und übersieht Feinheiten auf dem Platz – und ist aufgrund dessen vielleicht die eine oder andere Millisekunde zu spät, die dann zu einem weiteren Torerfolg des Gegners führt?
Momentum-Debatte wird nie verstummen
Wir wissen, die Debatte rund um das Fifa-Momentum wird nicht verstummen. Und ganz aushebeln können wir sie ja auch nicht. Es ist schließlich nicht zu leugnen, dass zwei, drei Lattentreffer hintereinander den Eindruck erwecken, der Balle soll einfach nicht im Tor des Gegners untergebracht werden. Fakt ist: Wir werden die Debatte weiterhin verfolgen und darüber berichten, wenn neue Erkenntnisse vorliegen.
Zum Thema „Momentum“ haben viele von Euch sicherlich ganz eigene Erfahrungen gemacht. Wir freuen uns deshalb über Einsendungen Eurer Gedanken zu diesem Thema an info@bestetipps.de